Ein Gespräch mit Alexander Glandien, dem
künstlerischen Leiter der Glandienale |
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Das Interview entstand am 21. Juni 2008 in der
Kai Bar in Wismar. |
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Was ist die Glandienale und wozu dient sie
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Die Glandienale ist eine Ausstellung, die kommunikative
Objekte und Installationen zeigt. Sie ist jedoch kein Schaukasten
und keine Vitrine, die nur etwas präsentiert, sondern sie
möchte durch die gezeigten Arbeiten mit ihren Besuchern kommunizieren.
Diese Ausstellung bewegt sich an der Schnittstelle von ästhetischer
und alltäglicher Erfahrung. Sie dient als anregender Beitrag
zu einer Auseinandersetzung über Design, Kunst und Technik.
Die Glandienale nimmt diese Bereiche auf und verarbeitet sie in
ganz eigenen Prozessen. Sie setzt Ästhetisches und Alltägliches
zueinander in Beziehung und spielt auf diese Weise mit unserer
ganz persönlichen Wahrnehmung. |
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Was erwarten Sie sich von dieser ersten Glandienale? |
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Tatsächlich wünsche ich mir eine Glandienale,
die Diskurse erzeugt, die Leute zum Denken und Diskutieren anregt
– die eher ein Impuls ist, als ein Ergebnis. Ich wünsche
mir, dass die Neugierde der Besucher geweckt wird. |
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Welche besonderen Erfahrungen vermitteln die
gezeigten Objekte der Glandienale? |
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Erst einmal erscheint es mir wichtig zu differenzieren,
denn es ist ein Unterschied, ob ich über die Ausstellung
oder ob ich über einzelne Arbeiten rede. Die Glandienale
verleiht den Objekten einen neuen Kontext. Sie setzt die Arbeiten
in Verhältnisse zueinander und zum Publikum, dadurch treten
die Objekte mit dem Besucher in einen Dialog ein. Dieser Dialog
setzt sich dann hoffentlich unter den Besuchern selbst fort.
Sie fragen aber nach den spezifischen Erfahrungen der einzelnen
Arbeiten und dazu kann ich ihnen keine erschöpfende Antwort
geben, weil zu einer solchen Erfahrung natürlich immer zwei
Seiten gehören – das Objekt und der Betrachter. Jeder
Betrachter wird andere Erfahrungen mit dem Gezeigten machen und
es ist nicht die Aufgabe der Objekte, eine bereits beabsichtigte
Wahrnehmung bloß abzurufen. Die Erfahrungen lassen sich
nicht einprogrammieren, sondern sie verändern sich stetig,
je nach Besucher. Natürlich verbinde ich mit den gezeigten
Arbeiten ganz eigene Gedanken, aber selbst diese verändern
sich sicherlich mit der Dauer der Ausstellung. Es werden auch
viele neue Erfahrungen dazu kommen.
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Geht es in Ihren Installationen darum, Dinge
und Strukturen zu veranschaulichen um sie zu erklären und
verständlich zu machen? |
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Nein, ich würde das eher als eine andere Lesart
der Welt bezeichnen. Es geht in diesem Zusammenhang nicht um gültige
Erklärungen oder um ‚Richtigstellungen‘, sondern
es geht vor allem um ein Hinterfragen und das Sichtbar-machen
von bereits vorhandenen Strukturen.
Sehen Sie, wir haben ja immer ein festgelegtes und ganz persönliches
Bild von unserer Welt. Wir nehmen die Welt ja auch nicht objektiv
oder neutral wahr, das können wir auch gar nicht, sondern
wir nehmen die Dinge auf eine ganz subjektive und persönliche
Weise wahr.
Ich würde sagen, dass die Installationen der Glandienale
dieses persönliche Bild aufgreifen, es aber in einen ganz
anderen Zusammenhang rücken. Sie relativieren es durch überraschende
Eingriffe und experimentelle Verschiebungen.
Im Grunde genommen bildet diese Ausstellung eine Erweiterung,
die uns hilft die Wirklichkeit aus einem anderen Blickwinkel zu
betrachten. Dabei bietet auch die Glandienale nur einen Ausschnitt.
Sie fokussiert gewissermaßen einzelne, oft alltägliche
Fragmente der Wirklichkeit und macht sie zum Teil eines exemplarischen
Prozesses. Die Besucher können diese Gedankengänge dann
in ganz anderen Zusammenhängen weiterführen. |
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Als Spiel mit unserer Realität? |
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Ja, die Objekte erzeugen eine Art Parallelwelt,
die trotz allem mit der Realität arbeitet. Ich glaube das
die ausgestellten Objekte vor allem als Vermittler agieren. Wenn
sich bereits eine erste Schlussfolgerung ziehen lässt, dann
diese: Die kommunikativen Objekte und Installationen erzeugen
einen Bruch, wobei dieser Zustand weitaus interessanter ist, als
die unmittelbaren Resultate, die er hervorbringt. Wir können
die Glandienale demnach auch nicht an den Ergebnissen messen,
die sie uns präsentiert, sondern wir müssen sie an den
Prozessen messen, die sie in Gang setzt. |
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Sie haben die Glandienale jetzt sehr lange
und sorgfältig geplant. Welche Erfahrungen haben Sie auf
diesem Weg gemacht? Was hat sich für Sie dadurch verändert? |
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In erster Linie hat sich mein Blick auf die Welt
verschoben. Nun ist es aber sehr schwer den eigenen Blick, vielleicht
auch die Besonderheit der eigenen Wahrnehmung zu beschreiben. |
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Vielleicht geben Sie uns ein Beispiel? |
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Ganz konkret bedeutet das, ich entdecke vielfach
ästhetische Phänomene oder Strukturen in ganz alltäglichen
Zusammenhängen. Mich reizt oft das Unbeachtete, das Beiläufige.
Solche Erscheinungen regen mein Denken an und fordern mich geradezu
heraus. Marginale Dinge gewinnen dadurch an Bedeutung und erhalten
einen besonderen Wert, der für eine Arbeit dann als Ausgangspunkt
dienen kann.
In diesem Zusammenhang ist auch das „Funktionieren“
der Dinge sehr wichtig. Mich interessiert durch welche scheinbaren
und vor allem durch welche unscheinbaren Prozesse etwas funktioniert,
und welche Gesetzmäßigkeiten und Ordnungen diesem
Funktionieren zu Grunde liegen. In meiner eigenen Arbeit nutze
ich oft die vertraute, sichtbare Oberfläche und schaffe
ihr dann eine ganz andere funktionale Grundlage. Ich löse
gewissermaßen Form und Funktion voneinander und füge
sie in einem veränderten Kontext wieder zusammen. Die vertraute
Oberfläche folgt dann einer ganz anderen Logik. Unser Sehen
und unser Wissen geraten dadurch in einen Konflikt miteinander.
Es entsteht ein Bruch, ein Riss in der glatten Oberfläche
der uns in das Innere der Dinge schauen lässt.
Oder um es auf das Projekt „This lamp will be famous“
zu beziehen: Es sieht aus wie kaputt, ist aber simuliert.
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Welche Rolle spielt der Begriff oder das Prinzip
der Simulation für Ihre Objekte? |
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Das ist schwer. Nicht weil ich denke, dass der
Begriff unpassend ist - keineswegs, aber er ist medientheoretisch
sehr aufgeladen. Ich versuche vielleicht besser zu beschreiben,
was ich in Bezug auf meine Arbeiten damit verbinde.
Ich begreife Simulation nicht als Nachbildung von etwas, sondern
als eigenständige Konstruktion. Diese Konstruktion kann natürlich
ihren Ausgangspunkt in der Imitation oder dem Abbilden haben,
als Simulation geht sie aber darüber hinaus, löst sich
von ihrem Vorbild und wird eigenständig. In diesem Gedanken
trifft sich der Begriff der Simulation mit einigen meiner Objekte.
Das Besondere darin ist jedoch, dass Simulation heute immer mehr
im Zusammenhang mit digitalen Medien verwendet wird und das meine
Arbeiten hier oft einen umgekehrten Weg einschlagen. Sie simulieren
gewissermaßen digitale Prozesse auf eine analoge Weise.
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Sie sagen, dass sich viele Ihrer Objekte an
der Schnittstelle von digitaler und analoger Welt ansiedeln –
Sie bilden digitale Phänomene analog ab und anderes herum.
Lässt sich der Übergang zwischen beiden Welten beschreiben
oder gar künstlerisch Abbilden? Ist es das, was Ihre Objekte
versuchen? |
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Ja, ich finde diese Verschiebung und die Übertragung
von der einen in die andere Welt sehr reizvoll. Das liegt wahrscheinlich
auch an der Selbstverständlichkeit, mit welcher wir heutzutage
sowohl in der analogen, materiellen, gegenständlichen Welt,
als auch in der digitalen, immateriellen Welt zu Hause sind. Mich
interessiert aber gerade die Schnittstelle zwischen beiden, oder
anders ausgedrückt: Was passiert, wenn man versucht etwas
aus der einen Welt in die andere zu transportieren?
Ich kann nicht sagen, ob sich der Übergang beschreiben lässt,
aber ich denke die Objekte, die an dieser Schnittstelle agieren,
halten ihn präsent und bewusst. Sie regen zum Nachdenken
an und brechen auf ihre Weise die Selbstverständlichkeit,
mit der wir in unserem Alltag zwischen digitaler und analoger
Welt agieren. |
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Sie haben in der Vergangenheit
immer sehr erzählerisch gearbeitet. Erzählen Ihre Objekte
auch Geschichten? |
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Ja, aber es ist eine ganz andere
Art der Erzählung. Es sind eher Anfänge und Fragmente
zu Erzählungen, die sich weiterdenken lassen. Es geht bei
den einzelnen Objekten auch nicht so sehr um ihr erzählerisches,
sondern eher um ihr analytisches Potential. Daher ist auch die
konkrete materielle Erscheinung sehr wichtig. Aber
lassen sie mich an dieser Stelle einen Gedanken des Künstlerpaares
Dellbrügge & de Moll aufgreifen. Die beiden bezeichnen
ihre Arbeit als exemplarische Kommunikation und mir
erscheint diese Formulierung viel passender und weitreichender
als der Begriff der Erzählung. Mir gefällt daran nicht
nur die Unterscheidung zu den exemplarisch Leidenden
Künstlern der Vergangenheit, sondern ich teile die Auffassung
der Beiden, dass Kommunikation ein sinnvolles Mittel der Veränderung
sein kann. Das besondere an der exemplarischen Kommunikation
ist, dass sie andere Möglichkeiten zu kommunizieren ausprobiert
und versuchsweise realisiert. Es ist ein Möglichkeitsraum,
der doch Teil unserer Wirklichkeit ist. In diesem Spannungsfeld
siedeln sich auch die Installationen der Glandienale an. Als
exemplarische Kommunikation zeigen sie einen anderen –
einen möglichen Weg und einen möglichen und dennoch
realen Zugang zu unserer Welt.
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Reden Sie gerne über Ihre
eigenen Arbeiten oder fällt es Ihnen schwer? |
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Allgemein betrachtet würde ich
sagen, dass ich sehr gerne rede, weil ich das dialogische Denken
sehr schätze. Ich denke, dass ein gutes Gespräch alle
Gesprächspartner bereichert. Der Dialog ist ein sehr wichtiger
Vorgang um den eigenen Standpunkt und die eigenen Gedankengänge
kritisch zu überprüfen. Manchmal bestärkt so etwas
die eigenen Ansichten, ein anderes mal verwirft man etwas.
Ihre Frage zielt aber im Speziellen auf das Reden über meine
eigenen Arbeiten ab, und in diesem konkreten Fall muss ich sagen,
habe ich das Gefühl ich beraube mit meinen Worten die Objekte
ihrer eigenen Sprache. Daher spreche ich auch nie über konkrete
Interpretationen der einzelnen Installationen, sondern rede eher
allgemein über meine eigenen Gedanken und Erfahrungen. Vielleicht
schaffe ich dadurch sogar eine Art Schutzraum, in dem die einzelnen
Objekte unmittelbar und eigenständig wirken können.
In jedem Fall denke ich, ist der Dialog essentiell für die
Vermittlung zwischen Ausstellung und Betrachter, aber auch zwischen
den Betrachtern selbst.
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Für wen machen Sie die Glandienale?
Für sich selbst? |
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Nein, oder zumindest nicht nur. Natürlich
kann ich einen gewissen egozentrischen Ausgangspunkt nicht verleugnen,
aber davon ausgehend entsteht eine ganz eigene, auch von mir unabhängige
Ausstellung, als Erfahrungsraum für Besucher. In gewisser
Weise verselbstständigt sich dieses Projekt ja durch seinen
Weg in die Öffentlichkeit.
Erst durch meine eigene, persönliche Distanz zu den Objekten
werden sie auch für mich auf besondere Weise lehrreich. Ihre
Selbstständigkeit, also ihr selbstständiges Funktionieren,
führt auch dazu, dass sie mir selber auf besondere Weise
sogar fremd erscheinen. |
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Fotos: S. Müller |
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Wie wichtig ist Ihnen ein theoretischer
Hintergrund? |
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Natürlich spielt das Denken in
meine Arbeiten eine sehr große Rolle und ich besitze durchaus
eine sehr große Freude am Denken und ich würde sagen,
diese Freude spiegelt sich in meinen Objekten auch wieder. Aber
es ist nicht ihr einziger und auch nicht ihr vordergründiger
Weg. Ich mache keine Ausstellung oder keine Installationen für
Theoretiker, sondern für jeden. Ich möchte überraschende
Erfahrungen vermitteln, die jedem etwas anbieten. Die unmittelbaren
Erfahrungen mit den Installationen, ihre Materialität, ihr
Dynamik und ihre Präsenz im Raum ist ebenso wichtig, wie
eine gedankliche Ebene. Es gibt in meinen Arbeiten immer mehrere
Ebenen und ich hoffe, dass die Besucher weitere hinzu tun werden. |
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Wann und wo werden wir die nächste
Glandienale erleben? |
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Das wird sich zeigen, aber wenn es
soweit ist, werden Sie es erfahren. Jetzt werde ich mich erst
einmal voll und ganz auf die kommende Glandienale konzentrieren. |
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